Von Menschen mit HIV wird zur Zeit häufig die Frage an Behandler*innen herangetragen, ob sie aufgrund ihrer HIV-Erkrankung mit einem höheren Risiko einer Infektion oder eines schweren Verlaufs durch eine Infektion mit dem sich rasch ausbreitenden SARS-CoV-2 als Ursache von COVID-19 rechnen müssen.
Bisher gibt es keinen Hinweis auf eine erhöhte Infektionsrate von Menschen mit HIV gegenüber HIV- negativen Personen.
Zur Frage der Schwere des Verlaufs fehlen derzeit belastbare Daten: Alter, männliches Geschlecht und Begleiterkrankungen (insbesondere der Lunge, Hypertonie und Diabetes m.) sind die derzeit mit einem schweren Verlauf von COVID-19 assoziierten Risikofaktoren. Bezüglich eines erhöhten Risikos in der Schwangerschaft gibt es derzeit keine Hinweise, und für perinatale Übertragungen liegen bisher keine Hinweise vor.
Eine erhöhte Letalität von Menschen mit HIV durch COVID-19 wird vermutet, ist aber nicht belegt. Sicherheitshalber sollte von der Erhöhung des Risikos eines schweren Verlaufs bei antiretroviral unbehandelten Personen und bei CD4+-Zellen unter 200/μl ausgegangen werden. Ca. 50% der HIV- Betroffenen sind 50 Jahre alt oder älter und weisen daher wie die Allgemeinbevölkerung ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf auf (s. Symposium zur SARS-CoV-2 auf der CROI 20201).
Insbesondere für die oben beschriebenen Personen, aber auch ihre Kontaktpersonen muss derzeit die Vermeidung einer Infektion im Vordergrund stehen (s. Hinweise des RKI2,3 und tagesaktuelle Empfehlungen der Gesundheitsbehörden der Länder). Der Besuch von Veranstaltungen mit der Ansammlung vieler Menschen und enge Kontakte mit Personen mit Atemwegsinfektionen sollten nach Möglichkeit vermieden werden.
Die notwendige Begleitdiagnostik der HIV-Infektion und dringend notwendige ärztliche Behandlungen sollten nicht unterlassen werden. Dabei sollten Aufenthalte in Wartezimmern auf das geringstmögliche Maß beschränkt werden, insbesondere, aber nicht ausschließlich bei Symptomen einer Atemwegsinfektion. Die Behandlungseinrichtungen sollten dafür Vorbereitungen treffen. Bei Vorliegen von Symptomen einer Atemwegsinfektion sollten sich Patienten zunächst telefonisch in der Einrichtung melden und die Notwendigkeit einer persönlichen Vorstellung im Gespräch mit ihrer Ärztin/ihrem Arzt abklären.
Rauchen ist für Atemwegsinfektionen generell ein Risikofaktor. Patient*innen sollten generell zur Rauchentwöhnung angehalten werden.
Es haben sich Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit des geboosterten HIV-Proteaseinhibitors Lopinavir gegen SARS-CoV-2 ergeben (möglicherweise auch von Darunavir), die derzeit in klinischen Studien untersucht werden. Auch Tenofovir-Disoproxil-Fumarat oder -Alafenamid (Bestandteil vieler ART-Regime) und Hydroxychloroquin werden im Hinblick auf eine mögliche Wirksamkeit diskutiert. Für eine Therapieempfehlung oder die Annahme, eine ART würde den Verlauf positiv beeinflussen, ist es zu früh.
Vielversprechend erscheint derzeit Remdesivir, das breit antiviral und auch gegenüber einer Reihe von Corona-Viren wirksam ist. Einzelfälle legen eine klinische Wirksamkeit nahe, klinische Studien werden derzeit durchgeführt.
Diese Stellungnahme wird nach Bedarf unter Berücksichtigung der aktuellen Situation angepasst.
Der Vorstand der DAIG, 12.03.2020